Watching Dr. Who and Star Trek
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- Publication: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen
- Date: v. 234, no. 2 (1997)
- Author: Raimund Borgmeier
- Page: 373
- Language: German
Damien Broderick: Reading by Starlight. Postmodern Science Fiction. London/ New York: Routledge, 1995. Pp. xvii 197. Paper £ 12.99.
John Tulloch and Henry Jenkins: Science Fiction Audiences. Watching Dr. Who and Star Trek. London/New York: Routledge, 1995. Pp. xiii + 294. Paper £ 12.99.
Eine Zeitlang konnte man den Eindruck haben, als sei die Science Fiction dabei, ihr selbstgewähltes Ghetto zu verlassen und sich der mainstream-Literatur anzunähern oder gar anzuschließen: Anerkannte Romanautoren wie Thomas Pynchon oder Doris Lessing wandten sich der Gattung zu, ein (trotz seiner Dementis) zur Science Fiction gehörender Erzähler wie Kurt Vonnegut fand allgemeine literarische Beachtung, und der an der Gattung interessierte Publikumskreis war offenbar nicht länger bloß auf männliche, technologiebegeisterte Jugendliche beschrinkt. Die beiden vorliegenden Studien, die bei dem renommierten Verlag in der Reihe "Popular Fictions" erschienen sind, zeigen eher das Gegenteil. Sie betonen das Trennende und konnen beim nicht Voreingenommenen eher Zweifel an der Seriositat des Gegenstandes erwecken. Beide Bücher leisten auf unterschiedliche Art kaum einen Beitrag, Leser, die nicht bereits Fans sind, für die Science Fiction zu gewinnen oder vom positives Wirkungspotential der Gattung zu überzeugen.
Das erste Buch möchte eine kritische Untersuchung der Science Fiction in ihrer letzten, gegenwärtigen Entwicklungsphase rein. Damien Broderick, der im Verlagsprospekt lediglich als "Freelance Writer" gekennzeichnet wird, ist ein australischer SF-Autor, -Herausgeber und -Kritiker. Nach der von John Clute und Peter Nicholls herausgegebenen Encyclopedia of Science Fiction (1993) hat er mit einer Arbeit über "the semiotics of fiction, science and sf with special reference to the work of Samuel R. Delany" promoviert. Diese Ausrichtung hinterläßt in dem Buch ihre Spuren, vor allem in der uneingeschränkten Begeisterung für den sonst durchaus kontrovers beurteilten Delany, die sich etwa in einer Äußerung wie der folgenden niederschlägt: "Samuel R. Delany is the most persuasive theoretician of sf as that species of storytelling native to a culture undergoing epistemic changes implicated in the rise and supersession of technical-industrial modes of production, distribution, consumption and disposal: which is to say, the epistemic fiction of Western scientific culture, the culture of the object." (p. 64) Auch in bezug auf die Lesbarkeit der Darstellung ist dies ein kennzeichnendes Beispiel.
In seiner Einleitung macht der Autor zwei wichtige Einschränkungen, Zum einen erwartet er von seinen Lesern eine beachtliche Vertrautheit mit den einschlägigen Primärtexten: "if, as I argue, rich responses to sf texts require a sort of apprenticeship by the reader, it is scarcely feasible to approach sf theory and criticism without a certain familiarity with many sf texts." (p. xiv) Er bestehe zwar nicht darauf, daß seine Leser die Werke der wichtigsten Gattungsvertreter — acht nennt er mit Namen — auswendig könnten, abet die Lektüre von wenigstens ein oder zwei der berühmtesten Erzählwerke dieser führenden Autoren sei schon Voraussetzung, damit man der Diskussion überhaupt folgen könne (ibid.).
Noch folgenschwerer ist möglicherweise der zweite Vorbehalt. Broderick hält wenig von "traditional formal methods of exposition and argument" (ibid.) und folgert daraus für sein eigenes Vorgehen: "So I've adopted a technique based in part on montage or collage, the postmodern device par excellence." (ibid.) Ein solcher Verzicht auf Stringenz der Argumentation läßt das Lesen des Buches im ganzen schwierig und unerfreulich werden. Im einzelnen rätselt man beispielsweise, warum aus sechs Parametern des Postmodernen, die der Autor nach Fredric Jameson formuliert (vgl. p. 104ff.), bei der Übertragung auf die Science Fiction nur fünf übrigbleiben (vgl. p. 109ff.). Oder warum Jameson, dem der Autor vorher uneingeschränkt gefolgt ist, plötzlich auf der letzten Seite in einem entscheidenden Aspekt außer Kraft gesetzt werden soll (vgl. p. 158). So wird das vorgesehene Verfahren, "the reader constructs her own argument as well as her own text" (p. xvi), zu einer mühsamen Angelegenheit.
Die zugrunde liegende "Architektur" (ibid.) des Buches gliedert es in zwei Teile. Der erste, längere, ist überschrieben mit "Modern science fiction"; der zweite, mit der Überschrift "Postmodern science fiction" beschäftigt sich fast ausschließlich mit Delany, insbesondere mit dessen Romanen The Einstein Intersection (1967) und Stars in My Pocket Like Grains of Sand (1984). Das letztere Werk soli als "an extravagantly rich and impeccably theorised postmodern sf text" (p. xvii) in Erscheinung treten. Am Ende folgt dann eine Meisterdefinition der Gattung durch den Autor und — mit einer gewissen Geste der Bescheidenheit — eine Verkündung ihrer erlösenden Wirkung: "[...] in its own distinct discursive emphases, sf may be able to offer what neither literature nor science can provide from within their authorised and authorising bastions." (p. 158)
Im ersten Teil behandelt der Autor u.a. die literarische Entwicklung der Science Fiction und mögliche Definitionsversuche. Es erscheint bezeichnend, daß er bei der mit einigem wissenschaftlichen Aufwand diskutierten Frage, ob die Science Fiction als "genre" oder "mode" anzusehen sei, das für Gattungstheorie zentrale Werk von Alastair Fowler, Kinds of Literature (1982), nicht berucksichtigt (Kap. 3). William Gibson und der von ihm ins Leben gerufene cyberpunk, die neueste SF-Richtung, werden überraschenderweise hier, und nicht erst im zweiten Teil, abgehandelt. Die dabei vermittelten Einsichten sind durch die geschwollene Diktion beeintrachtigt, wenn es beispielsweise abschließend zu Gibsons Roman Neuromancer heißt: "[...] it is a genuine contribution to the armamentarium of art in its ability to confront aspects of an episteme which in many important respects, while we lack the iconic registration to signify it, evades our authority.' (p. 85)
Das zweite Buch, vom selben Verlag in der selben Reihe zum selben Preis herausgebracht, unterscheidet sich von dem anderen insbesondere durch seine verständliche Sprache und die nachvollziehbare wissenschaftliche Argumentation. Die Autoren machen keinen Versuch, Sachverhalte durch pseudokomplexe Terminologie und abstrakt-verklausulierte Schreibweise zu kaschieren. So erfährt man etwa, daß Jenkins selbst zur Gruppe der gay fans gehört (vgl. p. 238), die er eingehend untersucht. Und die niederschmetternde Äußerung einer australischen Schüllerin über den Untersuchungsgegenstand, welcher die meisten gebildeteren Menschen im westlichen Kulturkreis sicher ohne Einschrankung zustimmen würden, wird vollständig zitiert: "I really think Doctor Who is just a joke. I can't see how intelligent people watch it. [...] I cannot see how anyone from Year 10 doing their School Certificate can sit down and watch a moronic programme like that." (p. 97)
Anders als der Haupttitel in Aussicht stellt, gebt es in dem Buch im wesentlichen nicht urn das Rezeptionspublikum von Science Fiction allgemein. Der Untertitel ist nicht bildlich gemeint; vielmehr untersuchen die Autoren tatsächlich gezielt in umfangreichen Diskussionen mit fans and followers, wie die beiden überaus erfolgreichen Fernsehserien Doctor Who und Star Trek in Australien, Großbritannien und den USA aufgenommen wurden. Der Wert des Buches liegt daher nicht im literarischen Bereich, sondern, wie der Einbandtext erklärt, auf dem Gebier "Cultural Studies/Communication Studies".
Immerhin können die Autoren die Bedeutung des "Star Trek phenomenon" (p. 3) mit beachtlichen Zahlen belegen. So kamen etwa zu der Star Trek Convention 1974 nicht weniger als 15.000 eingeschriebene Teilnehmer, and 6.000 weitere Interessenten fanden keinen Einlaß zu den Veranstaltungen (vgl. p. 11). Mehr als 50% aller Amerikaner betrachten sich als Fans von Star Trek (vgl. p. 23). Und in einer 1991 erschienenen Bibliographic werden Ober 1.300 englischsprachige Artikel aufgeführt, welche sich mit jedem erdenklichen Aspekt dieses Programms befassen (vgl. p. 3).
Auch die beiden Autoren, die sich selbst zu den Fans rechnen, haben sich jeder bereits in früheren Publikationen diesem Gegenstand zugewandt. John Tulloch ist Professor of Cultural Studies an der australischen Charles Stuart University, Henry Jenkins arbeitet als Director of Film and Media Studies an dem renommierten Massachusetts Institute of Technology, MIT. Nicht ohne Grund weisen sie gleich zu Anfang auf die ungewöhnliche Entstehung ihres Buches bin: "The writing and publishing of this book is itself the stuff of science fiction." (p. ix) Vor der Fertigstellung der ersten Manuskriptfassung hatten sich die Autoren nie persönlich gesehen oder miteinander telefoniert. Trotzdem ist das Buch nicht lurch auffallende Heterogenität beeinträchtigt.
Lediglich das Anfangskapitel, wo die allgemeinen Hintergründe und Zielsetzungen des Projekts dargelegt werden, ist von beiden Autoren gemeinsam verfaßt. In den beiden übrigen Kapiteln des ersten Teils beschäftigt sich John Tulloch mit unterschiedlichen Standpunkten zu dem Phänomen Science Fiction und seinem Publikum. Meiner Meinung nach werden dabei die Unterschiede zwischen der SF-Literatur und den Fernsehserien viel zu wenig beachtet, eine Distanz, wie sie beispielsweise in der erwähnten Encyclopedia of SF zum Ausdruck kommt, wo es unter dem Eintrag Star Trek heißt: "For fans of written sf, ST [Star Trek] can seldom have seemed challenging in any way, as it rarely departed from sf stereotypes [...] As a general rule the Space-Opera format was not used with any great imagination."
Im zweiten Teil behandelt Tulloch Interviews mit unterschiedlichen australischen und britischen Gruppen, Soziologie- und Ingenieurstudenten, Teenagergruppen unter-schiedlichen Alters, Geschlechts und Bildungsstandes usw. and ihre Reaktion auf die britische Serie Doctor Who, insbesondere die Folge "The Monster of Peladon", und diskutiert ihre verschiedenartigen Reaktionen und Standpunkte. Trotz der ungewöhnlich engen Interaktion von Rezeptionspublikum und Produktion fühlen sich die Fans als "powerless elite" (Kap. 8). Dem Leser fällt kaum auf, daß die Interviews bereits in den Jahren 1981 und 1982 durchgeführt wurden.
In ähnlicher Weise beschäftigt sich Jenkins im dritten Teil mit der US-Serie Star Trek und ihrer Rezeption in Amerika. Jenkins zeigt sich weniger ausgeprägt methodologisch interessiert. Die von ihm interviewten Gruppen, Frauen, Ingenieurstudenten, Homosexuelle, denen jeweils eigene Kapitel gewidmet werden, heben sich deutlicher vom allgemeinen Publikum ab. Sie wurden erst im Jahr 1992 interviewt.
Im Gegensatz zu den vier Sektionen mit vorbereitendem Material fehlt eine besondere Zusammenfassung der Ergebnisse. Das Rahmenziel des Buches ist sicher erreicht: "to bring together understanding of the complex discursive resources of audiences with due recognition of the constraining power of institutions and ideology." (p. 23) Es fragt sich allerdings, ob man die bier gegebenen Antworten auf die im Vortext als erstes gestellte Frage als schlüssig empfindet: "Why are Star Trek and Doctor Who so popular?' Im Sinne der oben zitierten Außerung einer australischen Schülerin bleiben da für den Rezensenten noch gravierende Unklarheiten.
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- APA 6th ed.: Borgmeier, Raimund (v. 234, no. 2 (1997)). Watching Dr. Who and Star Trek. Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen p. 373.
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- Chicago 15th ed.: Borgmeier, Raimund. "Watching Dr. Who and Star Trek." Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, edition, sec., v. 234, no. 2 (1997)
- Turabian: Borgmeier, Raimund. "Watching Dr. Who and Star Trek." Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, v. 234, no. 2 (1997), section, 373 edition.
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